Und was arbeitest du?

 

Möchte ich mit einem fremden Menschen ins Gespräch kommen, suche ich ein verbindendes Element, um anzudocken, einen gemeinsamen Nenner, auf dem wir unser Gespräch aufbauen. Zum Beispiel das Wetter. Jeder hat etwas dazu zu sagen und indem ich übers Wetter wettere, gebe ich gleichzeitig etwas von mir preis.

 

Ich mag es, über das Wetter zu reden. Sozusagen der Klassiker des Smalltalks. Meistens kommt, dicht gefolgt vom Wetter-Dialog, folgende Frage:

 

Und was arbeitest du?

 

Grad kürzlich ist mir das wieder passiert, da spricht man über ein bisschen dies, ein bisschen das und plötzlich diese Frage. Woher kommt das? Wieso plötzlich?

 

Nicht, dass ich nicht will, dass man weiss, was ich arbeite. Nicht, dass ich mich dafür schäme.

 

Aber die Frage bleibt: warum ist das so wichtig?

 

Wenn ich davon ausgehe, dass der Smalltalk dazu dient, sich ein Bild von Gegenüber zu machen, haben die Themen des Smalltalks mit dem Wertesystem zu tun, in dem ich lebe. Was ist mir wichtig? Was möchte ich über den anderen erfahren? Wie kann ich ihn einordnen? Und da sind wir beim Problem der Schweizer Mentalität. Zumindest ist es für mich eines der Probleme: Das Geld. Alles kreist ums Geld. Ein Mensch wird aufgrund seiner Arbeit klassifiziert. Wer das nicht glaubt, antworte mal mit „Ich arbeite als Putzhilfe“ und beobachte die Reaktion.

 

Natürlich gibt es die, die nicht so denken, die einen nicht gleich in eine Schublade stecken und einen einfach als Mensch sehen. Zum Glück gibt es die.

 

Und doch: Warum wird das eigentlich gefragt?

 

In gewissen, nicht-europäischen Kulturkreisen ist das einfach kein Thema. Ich bin da und  dabei und das reicht.

 

Wie wäre es, wenn wir stattdessen fragen:

 

Was ist deine Leidenschaft? Was machst du in deiner Freizeit? Was liebst du?

 

Das begeistert, inspiriert, schafft echte Verbindung.

 

Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch mindestens ein Talent hat, das er leben und der Gemeinschaft schenken und ja, auch davon leben darf.

 

Was ist Dein Talent?

 

Wie lebst Du es?

 

Wie kannst Du Deine Berufung zum Beruf machen?

 

Das wären ja auch mal gute Fragen für einen Smalltalk.